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Symposium Biogas – Notfallmedizin und Gefahrenabwehr

unter erschwerten Bedingungen – erstes Resümee

am 24./25. März 2012 veranstalteten die AGMN, die AGNN und die Feuerwehr Schwerin in Kooperation mit dem Institut für Notfallmedizin der Asklepios Kliniken Hamburg (IfN), der Landwirtschaftlichen BG und dem Betreiberverband Biogas e.V. ein Symposium zum Thema

 

Biogas – Notfallmedizin und Gefahrenabwehr unter erschwerten Bedingungen.

 

Referenten aus dem gesamten Bundesgebiet haben zu diesem spannenden Thema Stellung genommen, Konzepte zur Notfallrettung vorgestellt und diskutiert. Experten aus der Industrie, dem Betreiberverband Biogas, den Unfallversicherern und der BG, den Feuerwehren, dem Rettungsdienst und Notärzte haben bei diesem Symposium diese Konzepte nicht nur in der Theorie diskutiert, sondern am 25.03.2012 in einer Biogasanlage im Rahmen einer Übung auch in der Praxis erprobt und die Erkenntnisse aus dieser Übung mit in die Erfahrungen einfließen lassen.

 

In der Zusammenfassung haben die Veranstalter folgende Erkenntnisse und Forderungen gefunden:

 

1.    Biogasanlagen sind keine homogene Technologie mit immer dem gleichen Produkt. Es gibt sehr unterschiedliche Anlagen, je nachdem, welche Stoffe fermentiert werden. Danach setzen sich auch die potentiellen Gefahren zusammen. Drei Hauptgruppen von Biogasanlagen sind zu unterscheiden: NAWARO-Anlagen (Nawaro = Nachwachsende Rohstoffe) und Abfall-Verwertungs-Anlagen sowie Mischtypen, in denen beides vergoren wird. Wegen der unterschiedlichen Gefährdungsarten ist es für die Notfalleinsatzplanung unerlässlich, solche Anlagen im Vorfeld zu kennen.

 

2.    Immer ist im Alarmfall eine differenzierte Notrufabfrage erforderlich:

Feuer? Explosion? Unfall mit (Gefahr-) Stoff-Freisetzung? Anzahl der betroffenen Personen

 

3.    Gefährdungen bei Biogasanlagen sind:

Gefahren oder Folgen durch Feuer, Explosion, Freisetzung von Atemgiften, insbesondere Schwefelwasserstoff H2S, Kohlendioxid CO2, (Methan) CH4 und NH3 (Ammoniak) sowie elektrischen Strom.

Die Atemgifte haben eine Sauerstoff-verdrängende Wirkung am Hämoglobin bzw. eine Störung der Atmungskette und/oder eine Beeinträchtigung des Zentralen Nervensystems zur Folge.

 

4.    Die Gefahren gelten grundsätzlich für die Unfallopfer, aber auch für (Erst-) Helfer. Daher ist die sichere Erkennung der tatsächlichen Gefährdung zwingend erforderlich über Detektion freigesetzter Gase durch die Feuerwehr. Dafür bedarf es einer angemessenen Ausstattung der örtlichen Feuerwehren mit geeigneten Gas-Messgeräten.

 

5.    Im Einsatzfall bei Stoff-Austritt (besonders bei H2S) liegt der Aktionsschwerpunkt immer in der Rettung der Unfallopfer aus dem Gefahrenbereich. Das ist nur unter strenger Beachtung des Eigenschutzes möglich (Feuerwehr mit Umluft-unabhängigen Atemgeräten (PA) und geeigneter Schutzkleidung!)

CAVE: nur wenige Atemzüge können auch für die Helfer tödlich sein, wenn sie ungeschützt in diesen Bereich gehen. Daher bleibt der Rettungsdienst grundsätzlich außerhalb des Gefahrenbereichs, sobald Atemgifte ausgetreten sind.

 

6.    Um eine Gift-Verschleppung zu vermeiden, ist vor der medizinischen Behandlung durch den Rettungsdienst immer eine Dekontamination des Patienten durch die technischen Einsatzkräfte erforderlich: Entkleiden, evtl. Abwaschen mit Wasser/Seife, erfordlichenfalls Desinfektion (Abwaschen mit Perchloressigsäure).

 

7.    Alle Einsatzkräfte werden vor Verlassen des Kontaminationsbereiches immer dekontaminiert und desinfiziert

 

8.    Es gibt eine geeignete medizinische Notfallbehandlung: Eigenschutz, Sauerstoffzufuhr, Sicherung der Atmung, Intubation und Beatmung, der therapeutische Nutzen von 4-DMAP, Na-Nitrit ist wissenschaftlich nicht belegt, supportive Behandlung der Folgestörungen (Lungenödem noch bis 12h Latenzzeit möglich) Erwäge: Kortison, ß2-Sympathomimetika, Adrenalin.

 

9.    Der Transport des Patienten erfolgt in einem gut belüfteten RTW.

 

 

Forderungen:

a.    Feuerwehr und Rettungsdienst müssen in das behördliche Genehmigungsverfahren in beratender Funktion mit einbezogen werden. Im Rahmen der Genehmigungsverfahren ist grundsätzlich eine Risikoanalyse und ein Rettungs- und Notfallplan zu erstellen. Diese Pläne sind mit der Feuerwehr abzustimmen. Sie bilden die Grundlage für die Objektinformationspläne, die bei den örtlichen Feuerwehren hinterlegt werden müssen.

b.    Für bereits bestehende Biogasanlagen muss über eine Bestandsaufnahme der Behörden sichergestellt werden, dass die technischen und medizinischen Einsatzkräfte bei zukünftigen Notfällen Handlungssicherheit haben.

c.    Für jede Biogasanlage ist ein Objektinformationsplan durch und für die örtliche Feuerwehr unter Einbeziehung des zuständigen Rettungsdienstes zu erstellen.

d.    Der Objektinformationsplan ist die Grundlage für die Alarm- und Ausrückeordnung der Feuerwehr und der Rettungsleitstelle

e.    Alle Einsatzkräfte müssen im Einsatzkonzept Biogas aus- und fortgebildet werden

f.     Die örtliche Feuerwehr muss „Ihre“ Biogasanlage kennen (Begehung)

g.    Die Einsatzkräfte (Feuerwehr und Rettungsdienst) müssen im Rettungs- und Versorgungskonzept bei Unfällen in Biogasanlagen trainiert werden (Übung)

h.    Es ist zu prüfen, ob fest installierte Warneinrichtungen vorgehalten werden müssen, damit vor Behälteröffnung eine gefährliche Gaskonzentration angezeigt wird.

i.      Es ist zu prüfen, ob Maßnahmen der Not-Belüftung grundsätzlich baulich vorzuhalten sind.

 

 

 

 

De Pay, Kühn, Matthes, Krause, Knacke, Reifferscheid, Wirtz